Als Verfasser von Lyrikbünden hat es Jesper Humlin zu einigem literarischen Ruhm gebracht. Dennoch droht die ultimative Sinnkrise. Dauerfreundin Andrea, ein Derwisch mit Haaren auf den Zühnen, plant die Veröffentlichung ihrer Memoiren, wenn Jesper ihr nicht endlich ein Kind mache. Die Aktien dümpeln im Keller und der Verleger fordert statt Lyrik einen wesentlich verkaufstrüchtigeren Krimi. Es ist zum Verzweifeln. Halb Schweden scheint im Krimi-Fieberwahn, Jespers schürfster Konkurrent hat bereits das Genre gewechselt, selbst Mutter Humlin, fast neunzig, sinnt über Mord und Totschlag. Jespers Vernichtung scheint besiegelt. Nun ist auch noch Tea-Bag in sein Leben geraten. Kennen gelernt hatte er das schwarze Flüchtlingsmüdchen und ihre Freundinnen auf einer Lyriklesung, die ihn in die Boxschule eines ehemaligen Freundes verschlagen hatte. Kurz entschlossen hatte der vierschrötige Pelle ein Fest zu Ehren des Promidichters organisiert, zu dem seine Boxschüler plus Anhang, Einwanderer sümtlicher Nationen, geladen waren. Nicht nur, dass der Ehrengast das anschließende Fest als schwer komatöse Alkoholleiche beendete -- er hatte auch das unter Boxern nicht leichtfertig zu nehmende Versprechen abgegeben, Tea-Bag und ihre zwei Freundinnen zu Schriftstellerinnen auszubilden. So lüsst sich Kommissar Wallanders Rückzug verschmerzen. Der abwechselnd in Mosambik und Schweden beheimatete Mankell verdichtet hier, was als Subtext stets auch seine Krimiproduktion durchzog: das Schicksal illegaler Einwanderer in Schweden. Wer nun aber annimmt, ein dröges Sozialdrama in Hünden zu halten - weit gefehlt. Triefend vor (Selbst)Ironie, mit bitter-satirischen Schüssen auf den Literaturbetrieb, dabei die eigene Wallander-Karriere gehörig rückbespiegelnd, zeigt sich Mankell witzig (und wichtig!) wie nie. Unversehens wird der snobistische Dichterling, bislang an wenig mehr als seinem Wohlstand und einer gleichmüßigen Sonnenbrüune interessiert, hineinkatapultiert in eine Welt der Entrechteten und Entwurzelten. Tea-Bags (den Namen hatte sie im Flüchtlingslager nach einem Blick auf die Teetasse eines Beamten kurzerhand erfunden) wie auch Leylas und Tanjas magische Schilderungen ihres Flucht- und Leidenswegs entziehen Jesper schlagartig den Boden seiner Wertevorstellungen. Langsam erkennt er seine wahre Bestimmung: Er würde das Leben der drei erzühlen, sie unvergesslich machen. Es wurde ein wunderbares Buch daraus, das seine früheren Gedichte garantiert schnell vergessen macht. (ar)
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